Sonntag, 11. März 2012

Das Erich Kästner-Gedicht - (7. Beitrag von Peter Weiler)

Das Erich Kästner-Gedicht,
„bei Durchsicht seiner Bücher“ gefunden:

Jugendschrei – „jugendfrei“

„Gebt uns Arbeit!“, schreit die Jugend,
denn gammeln ist keine Tugend.
Und leben nur von der Stütze
ist doch auch zu gar nichts nütze.
Doch die Probleme sind schon ziemlich alt –
auch in Erich Kästners Gedichtewald.
Er zeigt allen Eltern ihre Pflichten
Und mahnt die Regierung, es zu richten.
Auch alle Bosse sollten es endlich kapieren
und nicht gegen, sondern für die Jugend agieren.
Denn merke erstens:
Jeder Jugendliche mit einem Arbeitsplatz
braucht im Knast – das ist klar – keinen Schlafplatz
Und merke zweitens (besonders für Finanzminister):
ARBEITSPLATZ IST BILLIGER ALS KNASTPLATZ


Das Gedicht, auf das sich die ersten acht Zeilen beziehen,
erschien erstmals in der Zeitschrift ‚Die Weltbühne‘ im November 1931.
Es darf jedoch wegen des Urheberrechts
hier nicht wortgetreu abgedruckt werden.
Sie finden es aber in:
Erich Kästner: „Gesang zwischen den Stühlen“
z. B. in der dtv-Ausgabe (Band 11007) von 1999
und dort auf Seite 35.

Peter Weiler, März 2012

Freitag, 2. März 2012

„Atmosphärische Konflikte oder: Das Leben ohne Zeitverlust“

Mittwoch, 29. Februar 2012

Ein denkwürdiger Abend mit Chansons und Gedichten von Erich Kästner, vertont von Edmund Nick, am 22. Februar 2012 im Bürgerhaus Gräfelfing. Veranstaltet haben ihn die Gräfelfinger Gelegenheitsschreiber, die sich „GRÄGS“ nennen, was in schwedischen Ohren etwas unangenehme Assoziationen hervorrufen könnte, denn „jag kräks“ bedeutet „ich kotze“.

Doch die Veranstaltung war im Gegenteil sehr gut verdaulich, denn die Vortragenden, Susanne Brantl und Anatol Regnier, sind versierte Chansonsänger. Aber nicht nur das. Susanne Brantl, um mit der Dame anzufangen, hat teilweise verschollene Texte Erich Kästners aus der Zeit der Schaubude ausgegraben und zu einem Theaterstück mit dem Titel „Das Leben ohne Zeitverlust“ zusammengeführt, aus dem sie Lieder vortrug. Diese Texte samt den Arrangements von Edmund Nick waren von der Tochter des Komponisten, Dagmar Nick, aufbewahrt worden. Anatol Regnier wiederum ist, mit Verlaub gesagt, ein lebendes Fossil aus der großen Zeit des Münchner Chansons, denn sein Großvater war Frank Wedekind, seine Mutter Pamela Wedekind.
Susanne Brantl trat in Schwarz auf, die Haare dafür feuerwehrrot gefärbt trotz des Aschermittwochs. Anatol Regnier hatte ebenfalls schwarz gewählt, wohl wegen seines deutlichen Embonpoints. Als Ausgleich zu diesem ließ er aus seidig glänzendem kurzärmeligem Hemd seine männlich behaarten Arme sehen. Was auf seinem eiförmigen Kopf an Haaren übrig geblieben ist, trägt er als weißen Kurzhaarpelz.Beide trugen sie abwechselnd insgesamt 16 Chansons vor, die Edmund Nick, mit Kästner seit 1929 befreundet, unmittelbar nach ihrer Entstehung vertont hatte.
Die 45-jährige Brantl sang, wie man es von einer Chansonette erwartet, lebhaft und mit passender Mimik, mit Gesten und Bewegungen von Hüfte und Armen. Regnier, 1945 geboren, war ganz der souveräne alte Routinier in Haltung und Vortrag. Sein verschmitztes Lächeln tat immer seine Wirkung, selbst als er den Faden verlor und sich vom begleitenden Klavierspieler einsagen lassen mußte, was nicht gleich funktionierte. Diesem vorzüglichen Begleiter, Gerold Huber, zuzusehen, war ein besonderes Erlebnis; überlegen alles Geschehen überblickend, ließ er sich durch nichts aus der Ruhe bringen.Eine besondere Überraschung an diesem Abend, vielleicht sein Höhepunkt, war für mich, daß eben diese Tochter von Edmund Nick, Dagmar Nick, persönlich auf der Bühne saß, mit ihren demnächst 86 Jahren moderierte und von ihrem Vater und Erich Kästner erzählte! Sie strahlte die Würde der alten Dame aus in ihrem vollen grauen Haar, der gutgeschnittenen Kostümjacke in hellem Blaugrau und den anthrazitfarbenen Hosen.Zum Abschluß des Abends wurden die zehn Chansons des „Deutschen Ringelspiels“ gesungen, die 1947 für die Münchner „Schaubude“ geschrieben worden waren. Auch sie ein Fossil vergangener Zeit; in ihrer Aussage und Wirkung spürt man die damalige Zeit des Zusammenbruchs und Neubeginns mehr als die Kraft Kästnerscher Wortkunst.

Andreas Bode