Mittwoch, 11. Februar 2015

Kästners „Stimme von der Galerie“

12. Beitrag von Peter Weiler

Wer sich ausführlich mit Kästner beschäftigt,
der findet es immer wieder bestätigt:
Er schaut auch heute noch von oben auf das Welttheater
und wär‘ bisweilen ganz gerne auch wieder Berater.
Seine Anweisungen kämen wie einst von der Galerie:
„Seid Freund oder Feind! Habt Macht oder Glück!“
Doch merkt er bald: Mich hört hier keiner!
Er wird still und schmollt und wird immer alleiner.
Doch mit einem Ohr hört er zu, was die Wissenschaft
aus seinen aufgeschriebenen Gedanken macht.
„So bedenket doch, ihr promovierten Weisen,
ich dachte 1929 in völlig anderen Gleisen“,
überlegt er und denkt zurück an schlimme Tage,
an denen er schrieb, weil der Hunger ihn plagte.
Manche schnell erdachte Vers-Konstrukte waren doch
mehr Sättigungsbeilage als bedeutendes lyrisches „Hoch“.
Nur noch leise erhebt sich die Stimme von der Galerie:
„Mit einfachen Worten schrieb ich, was ich damals gedacht.
Sucht zwischen den Zeilen: Hab‘ ich geweint? Oder gelacht?“
Und der Mahner zieht sich zurück und denkt ganz leise:
Macht was ihr wollt, ihr werdet keine Antwort finden
auf die Frage, was ein Dichter dachte, als er dichtete.

Auslöser für diesen Beitrag ist ein Epigramm im
Gedichtband „Kurz und bündig“,
nachzulesen z.B. im dtv-Taschenbuch Nr. 11013
und dort auf der Seite 59

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